Evke Rulffes Die Erfindung der Hausfrau. Geschichte einer Entwertung.
Verlagsgruppe Harper Collins Hamburg 2021, ISBN 978-3-7499-0240-8, 287 S.
Das Buch, so die Autorin, sei ein „Plädoyer für mehr Wertschätzung und Anerkennung von Haus- und Care-Arbeit, für die angemessene Bezahlung…“ und soll zum Nachdenken über Erwartungen an heutige Mütter und die fehlende Solidarität unter Frauen anregen (S. 258f).
Dazu geht die Kulturwissenschaftlerin (weiterhin studierte E. Rulffes Kunstgeschichte und niederländische Philologie) der Frage nach, „woher der gesellschaftliche Anspruch an die Perfektion der Mutter kommt und wie er mit dem Modell der Hausfrau zusammenhängt“ (S. 8). Sie begründet die Veränderung des Frauen- und Mutterbildes Ende des 18. Jahrhunderts mit einer umfangreichen Textanalyse von Ratgeberliteratur (so der heutige Terminus) – damals „Hausväterliteratur“ bzw. „Hausmutter“ – Lexika und einschlägiger Werke der Aufklärer (u.a. von Rousseau).
Dabei zeigt sie nicht nur die Wandlungen dieses Begriffes auf: Hausmutter sei zunächst ein Herrschaftsbegriff und Beruf gewesen: die Frau war Managerin nicht nur eines mehr oder weniger großen Haushalts mit Gesinde, teilweise im Handwerk des Mannes eingebunden, vertretungsberechtigt in dessen Abwesenheit, Geldteintreiberin bei säumigen Zahlern etc. Allerdings, so betont die Autorin, hätten die durchweg positiven Schilderungen dieses Bildes und der Möglichkeiten von Frauen vor allem in den 5 Bänden des Friedrich Christian Germershausen („Die Hausmutter in allen ihren Geschäften“) nicht in jedem Fall der Realität entsprochen.
Unabhängig vom im Text enthaltenen sozialpolitischen Bild der Frau zitiert E. Rulffes viele Details, die uns heute eher amüsieren, denn zur Nachahmung anregen – so dass die Butter auf dem Herrschaftstisch in großen und länglichen Stücken auf den Tisch kommen soll, auf keinen Fall zu weich oder in einer Butterbüchse (s. S. 125f); dass Stricken als Zeichen von Sittlichkeit galt u.ä.
Vorstellungen vom Status der Frauen verändern sich mit den sozialen Veränderungen, vor allem durch die Entstehung eines gestuften Beamtentums. Für dieses galt auf den jahrelangen unteren Rängen „mehr Schein als Sein“, d.h. viele Tätigkeiten für die es früher Gesinde/Angestellte gab, wurden in Ermangelung entsprechender Finanzen auf die Hausfrau übertragen – allerdings unsichtbar. Gerade bei Gastessen für Vorgesetzte durften diese nichts davon bemerken. So gibt es hier den für uns heute sicher skurrilen Tipp, dass bei nicht ausreichendem Besteck für alle Gänge dieses nach dem Abspülen zwischendurch zunächst in kaltes Wasser zu legen sei, damit die Gäste nicht merken, dass sie das gleiche Besteck erneut vorgelegt bekämen (S. 231).
Entsprechend wandeln sich nicht nur die Ratgeber (die Hausfrau soll im Hause für Ruhe und Frieden, die Erholung des Mannes sorgen, d.h. anfallende Hausarbeiten müssen erledigt sein, wenn dieser „sein Heim“ betritt, eventuellen Kummer darf sie nicht zeigen), sondern zunehmend gehen Entscheidungsbefugnisse auf diesen über. Bekannt sind uns heute Regelungen aus der Ex-BRD zur Berufstätigkeit oder Kontoführung bis in die 70er Jahre allein durch den Mann – im Buch angeführt wird auch, dass der Mann selbst über die Dauer des Stillens entscheiden konnte (S. 176). Die „Stilldebatte“ bzw. der Mythos um das Stillen und dessen Ablehnung (Frauen würden dadurch angeblich nur eine weitere Schwangerschaft hinauszögern wollen) werden ausführlich beschrieben.
Die veränderte Stellung der Frau zeige sich auch in der Wohnstruktur: „Essen fand repräsentativen Salon statt, der ausschließlich für solche Gelegenheiten (Gästebewirtung – V.SL) genutzt wurde, während die eigentlichen Wohnräume kleiner waren. Am kleinsten häufig die Küche – unabhängig von der Vielzahl der Arbeiten, die dort neben der Essenszubereitung durchgeführt wurden – Holz hacken, Abwaschen, Wäsche waschen und bügeln, baden…
Mit der oben beschriebenen, zunehmend geforderten Unsichtbarkeit der Hausarbeit ging deren Entwertung einher. Gleichzeitig wurde der Mythos entwickelt, dass Ehefrauen und Mütter, die diese Arbeit nicht heiter und zufrieden ausführen würden, ihre Familie offensichtlich nicht genug lieben (S. 238). Und zur Liebe gehöre auch, dem Ehemann jederzeit nach dessen Lust und Laune zur Verfügung zu stehen (Anzeichen von Unlust waren ein Scheidungsgrund). In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass u.a. Volker Kauder, Horst Seehofer und Friedrich Merz 1997 gegen das vom Bundestag verabschiedete Gesetz über Vergewaltigung in der Ehe gestimmt haben (S. 241f).
Das vorliegende Buch ist sowohl ein Stück Begriffs- vor allem aber Sozialgeschichte. Spannend im Detail, erschütternd in seinen historischen Fakten, die teilweise bis heute nachwirken.